In der Bergpredigt sagt Jesus folgende Sätze: Matthäus 7,9-11:
Ihr Eltern – wenn euch eure Kinder um ein Stück Brot bitten, gebt ihr ihnen dann stattdessen einen Stein? Oder wenn sie euch um einen Fisch bitten, gebt ihr ihnen eine Schlange? Natürlich nicht! So schlecht ihr auch seid, ihr wisst doch, was euren Kindern gut tut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten.«
Jesus spricht in diesem Abschnitt über das Gebet und macht bewusst einen Vergleich:
Er vergleicht Eltern, die von ihren Kindern um etwas gebeten werden mit Gott, der von den Gläubigen um etwas gebeten wird. Es scheint also legitim zu sein das Empfinden und die Fürsorge der Eltern mit der von Gott zu vergleichen. Jesus malt den Zuhörern das fürsorgliche Verhalten von Eltern vor Augen.
Wenn ihre Kinder Hunger haben und um Essen bitten, verstehen Eltern dieses Grundbedürfnis ihrer Kinder, nehmen den Hunger war, leisten Fürsorge und verweigern nicht das Essen, geschweige denn geben anstatt Essen schlechte Sachen an ihre Kinder.
Jesus will sagen: Schaut euch euer menschliches Mitgefühl, eurer menschliche Fürsorge, eure menschliche Liebe zu euren Kindern an, und dann habt ihr eine kleine Ahnung vom Mitgefühl, von der Fürsorge und der Liebe Gottes.
11 So schlecht ihr auch seid, ihr wisst doch, was euren Kindern gut tut, und gebt es ihnen. Wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn darum bitten.«
Wir dürfen von unseren positiven und liebevollen Gefühlen ausgehen und sie mit Gottes Empfinden vergleichen. Was wir an positiven Empfindungen bei uns entdecken, genau das ist auch bei Gott vorhanden, aber in unvergleichlich größere Masse.
fotocommunity.de, Karl Koczera |
Nach 22 Jahren Pause bin ich vor zehn Monaten noch einmal Vater geworden. Und mir ist noch einmal bewusst geworden, was ein neugeborenes Kind mit einem macht. Da kommt man mit diesem Neugeborenen nachhause und staunt über dieses neue Leben. Und schon nach ganz kurzer Zeit in der sich eine Beziehung zu diesem neuen Menschen entwickelt. Es geschieht etwas eigenartiges: Man entwickelt eine ungeheure Liebe zu diesem Kind. Für nichts in der Welt würde man dieses Kind wieder hergeben und es wäre ein absolutes Trauma, wenn dieses Kind, das jetzt vielleicht vier oder acht oder zwölf Wochen alt ist krank werden würde oder sogar sterben. Obwohl es dieses Kind zuvor gar nicht gab, würde man es jetzt niemals mehr hergeben und entdeckt in sich eine Quelle, ein Reservoir an Liebe für dieses Kind, das es vorher gar nicht gab. Irgendwo kommt diese Liebe plötzlich her. Man sitzt neben diesem Babybettchen, riecht die Haare, schaut in diese Augen, wechselt die Windel und empfindet ein Meer an Zuneigung
Und wenn man sich das bewusst macht, wird einem klar, dass es bedingungslose Liebe ist.
Ein Säugling kann nichts leisten, unserer Liebe keinen Grund liefern, uns nicht motivieren zu lieben und kann keine Bedingungen erfüllen. Er spendet auch keine Liebe oder geht auf uns ein. Er schenkt uns am Anfang nicht einmal ein Lächeln.
Und doch lieben wir unsere Säuglinge von Herzen und würden unser Leben für sie geben. Trotz des Schreiens, der Arbeit und den durchwachten Nächten.
Dieses Neugeborene erbringt ja noch keinerlei Leistung, sondern macht nur Arbeit. Es ist beschwerlich, raubt uns Schlaf, Kraft und Geld.
Aber diese Liebe zu einem Kind ist von besonderer Qualität!
Sie muss vom Kind nicht motiviert werden.
Sie braucht kein spezielles Verhalten oder Anständigkeit als Auslöser.
Diese Liebe ist nicht die Reaktion auf das liebenswerte Verhalten des Kindes, sondern diese Liebe stellt den unendlichen Wert dieses Kindes fest, ganz ohne dessen Leistung, ohne dessen Arbeit, Pflichterfüllung, Erfolg oder moralisches Verhalten. Die Liebe zu einem Baby ist bedingungslose, schenkende, gönnende Liebe.
Und genau darin gleicht unsere Liebe der Liebe Gottes.
Das Neue Testament nennt diese Liebe Agape. Wir dürfen uns Gott gegenüber wie Säuglinge sehen: ohne Leistung, ohne Grund den wir liefern müssen, mit vielen Bedürfnissen, hilflos, anstrengend und doch unendlich geliebt. Dieser Gott gibt sogar sein Leben für uns.
Normalerweise ist unsere Liebe, die die Bibel Eros nennt, vom Wert ihres Gegenübers abhängig und motiviert. Eros bemisst den Wert eines anderen Menschen und liebt entsprechend, je nachdem wie liebenswert jemand ist.
Eros ist das Streben nach dem, was einem fehlt und was man braucht.
Agape hingegen ist gönnende, schenkende Liebe, sie ist zuvorkommend, der andere kommt zuerst!
Der Mensch liebt normalerweise, wenn er etwas Liebenswertes vorfindet.
Gott liebt und stellt damit beim anderen ewigen Wert her.
Eros ist Reaktion auf einen Liebesimpuls. Fehlt dieser Impuls, kann auch nicht geliebt werden. Gott braucht keinen Liebesimpuls, um zu lieben.
Dementsprechend kann Gottes Liebe auch nicht gesteigert werden. Anständigkeit oder Gehorsam oder Anbetung steigern nicht die Liebe Gottes zu uns. Gott braucht keinen Grund um uns zu lieben! Keinen Auslöser! Daher kann man Gottes Liebe auch nicht verdienen. Genauso wenig verlieren!
Gottes Liebe ist vorausgehende Liebe. Sie folgt keinem Auslöser, keinem Grund, keiner menschlichen Anstrengung nach. Sie ist bereits da!
Agape ist im wahrsten Sinne des Wortes Feindesliebe. Diese Liebe kann auch den Feind lieben, weil sie nichts Liebenswertes oder Freundschaftliches vorfinden muss, um lieben zu können. Für Eros ist Feindesliebe vollkommen unmöglich, weil sie am Feind nichts Liebenswertes findet, sonst wäre es ja kein Feind. Eros ist Liebe mit Absicht, mit Hoffnung und Erwartung.
Agape ist Liebe, die sich verschenkt, die nicht das Ihre sucht und die keine Erwartungen hat.
Vielleicht hat Gott uns Eltern diese Agape-Fähigkeit ihren Neugeborenen gegenüber geschenkt, um uns eine Erinnerung an seine Agape zu schenken. Denn diese bedingungslose, gönnende Liebe zu einem Säugling ist ein wunderbares Abbild für Gottes bedingungslose und gönnende Liebe zu uns, einfach noch unbeschreiblich stärker.
Und natürlich gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, sich Gottes Liebe zu vergegenwärtigen. Und natürlich ist das auch für Menschen möglich, die keine Kinder haben. Aber nicht umsonst will Jesus den Vergleich zwischen Elternliebe und Gottesliebe. Und nicht umsonst wird Gott im Neuen Testament hauptsächlich als Vater bezeichnet.