Immer wieder wurde Jesus gefragt, warum er es nicht so macht wie alle?
Warum muss er die Dinge anders machen?
Warum kann er nicht bei dem bleiben, was überliefert ist und was schon die Thora und die Ältesten lehren?
Warum kann er nicht die alte, gute Religion unterstützen?
Warum bringt er alles durcheinander?
Nun gibt es einen Text, wo Jesus ein für alle Mal eine Antwort gibt auf seine Andersartigkeit.
Eine Antwort, warum er es nicht so macht wie bisher, und warum er in Vielem gegensätzlich handelt als die bisherige Religion.
Lk.5,33: Wieder einmal kamen die Pharisäer zu Jesus und stellten ihm eine Frage: „Die Jünger von Johannes dem Täufer fasten und beten viel, und unsere Jünger halten es auch so. Warum aber essen und trinken deine Jünger, ohne sich um die Fastentage zu kümmern?“ 34 Da antwortete Jesus: „Wollt ihr vielleicht die Hochzeitsgäste hungern lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? 35 Die Zeit kommt früh genug, dass der Bräutigam ihnen genommen wird. Dann werden sie fasten.“36 Noch mit einem anderen Beispiel ging er auf ihre Frage ein: „Niemand zerreißt ein neues Kleid, um damit ein altes zu flicken. Nicht nur, dass es um das neue Kleid zu schade wäre; sondern der neue Flicken passt auch gar nicht zum alten Kleid.37 Ebenso füllt niemand jungen, gärenden Wein in alte, brüchige Schläuche. Sonst platzen sie, der Wein läuft aus, und die Schläuche sind unbrauchbar. 38 Nein, jungen Wein füllt man in neue Schläuche.39 Wer aber gern alten Wein trinkt, der will vom jungen Wein nichts wissen. ‚Der alte Wein ist immer noch der beste‘, wird er sagen.“
Die Pharisäer greifen hier das Thema Fasten auf und fragen Jesus, warum er mit seinen Jüngern zur Fastenzeit nicht fastet?
Alle anderen fasten, nur du nicht und hältst auch deine Jünger davon ab. Es gehört sich aber zu fasten!
Jesus antwortet auf diese Anfrage dreifach.
Alle drei Antworten sind Bilder.
Die erste Antwort ist sehr konkret und vergleicht das Kommen und Dasein Jesu mit der Zeit einer Hochzeitsfeier.
Während dieser Feier wird nicht getrauert, nicht gejammert und nicht gefastet, da wird gelacht, da ist man fröhlich und lässt es sich gut gehen.
Solange Jesus da ist, wird nicht gefastet.
Durch sein Dasein werden bestimmte Dinge ausgesetzt, haben bestimmte Dinge keinen Platz, keine Bedeutung oder keine Relevanz mehr.
Ihr Pharisäer fastet für etwas, z.B. für das kommen des Messias oder des Reiches Gottes und habt nicht verstanden, dass er bereits hier mitten unter euch ist.
Ich solltet aufhören mit Fasten und anfangen zu danken und euch zu freuen!
Das zweite und dritte Bild, das Jesus als Antwort gibt, das Bild vom Kleid und vom Wein, sind mehr genereller Art, eine generelle Antwort auf die generelle Anfrage nach der Andersartigkeit von Jesu Frömmigkeit.
Zuerst vergleicht er sein Handeln, seine Entscheidungen, seine Lehre, seine Frömmigkeit, seine Art der Religion mit einem neuen Stück Stoff, das einfach nicht zum alten Kleid passt.
Diese beiden Stoffmuster und Stoffqualitäten passen nicht zusammen.
Der alte Stoff ist schwach und erträgt den neuen Stoff und dessen Stärke nicht.
Dieser neue Stoff ist Teil eines neuen Kleides.
Entweder du nimmst das ganze neue Kleider oder du lässt es sein.
Aber du kannst dir nicht nur ein Stückchen von diesem neuen Kleid nehmen und damit dein altes Kleid pimpen.
Dieses neue Stück Stoff würde nicht halten und das alte Kleid nur noch mehr zerreißen.
Und danach vergleicht Jesus sein Handeln und seine Lehre und seine Frömmigkeit und seine Art der Religion mit neuem Wein.
Und neuer Wein muss in neue Weinschläuche gefüllt werden.
Diese neuen Weinschläuche sind noch elastisch und dehnbar.
Denn neuer Wein entwickelt sich noch, ist immer noch in einem Prozess, er gärt, er reift.
Das ertragen alte Weinschläuche nicht, die sind oft spröde, überaltert und dieser neue Wein würde diese Weinschläuche zerreißen, sprengen.
Was Jesus bringt ist neuer Wein!
Eine neue Sicht der Dinge!
Eine neue Sicht der Thora, des Gesetzes.
Eine neue Sicht der Gebote und der Moral.
Und damit eine neue Umsetzung der Thora.
Eine neue Frömmigkeit.
Eine korrigierte Religion.
Eine neue Denkweise.
Religiöses Leben, das wieder in Einklang kommt mit der Absicht und dem Willen Gottes.
Eine neue Sicht des Menschen und eine neue Sicht des Sünders.
Vor allem eine völlig korrigierte Vorstellung von Gott.
Aber für diesen neuen Wein muss man beweglich sein,
Das zerreißt einen fast,
Dieser Wein ist explosiv,
Da haut es schon mal den Korken raus!
Dieser Wein bereitet einem Bauchschmerzen, so wie das eben bei neuem Wein ist, wenn ihr den schon einmal getrunken habt.
Der gärt in deinem Magen
Da kann man schon mal Dünnschiss bekommen.
Und dieser neue Wein, diese neue Denkweise, diese neue Sicht der Dinge, dieses neue Gottesbild und diese neue Umsetzung von Religion passt eben nicht mehr zur alten Religion, sondern fordert die alte Religion heraus und provoziert.
Und darum braucht es neue Schläuche, neue Gefäße, neue Formen und Strukturen, neue Menschen.
Diese Art der Frömmigkeit passt nicht mehr hinein, sondern bedroht die alte.
Und so ist es kein Wunder, dass am Ende Jesus von der höchsten religiösen Behörde, dem Hohen Rat, als Ketzer, als Gotteslästerung, verurteilt wurde.
Und genau darum steht auch der letzte Vers im Text:
39 Wer aber gern alten Wein trinkt, der will vom jungen Wein nichts wissen. ‚Der alte Wein ist immer noch der beste‘, wird er sagen.“
Genau das spiegelt die Haltung der Pharisäer, der alten Frömmigkeit wieder:
Das Alte ist immer noch das Beste!
Bleib mir weg mit diesem neuen Denken, diesem neuen Handeln!
Das bedroht uns nur, das verunsichert uns nur, das gefährdet uns!
So wie es war, war es gut!
Mir hat das Alte gefallen!
Der alte Wein ist immer noch der Beste!
Wer lange genug im alten frommen System ist, Teil der alten Religion, es sich dort gemütlich gemacht hat, darin seine Sicherheit findet, der fühlt sich vom neuen Wein bedroht.
Nach 20 Jahren Leiterschaft und nach 35 Jahren leben in der Welt des evangelikalen Christentums,
wage ich es zu behaupten, dass unsere evangelikale, freikirchliche Religion in so manchem deutlich abgewichen ist von der eigentlichen Absicht Gottes, seiner Idee vom Reich Gottes und seinem Willen.
Ich glaube, dass das evangelikale Christentum dringend Korrektur braucht.
Ich nehme wahr, dass diese Religion nicht immer die Art von Menschen hervorbringt, die das Reich Gottes eigentlich hervorbringen möchte.
So wie im Judentum zur Zeit Jesu gibt es auch heute ein paar ganz große Bereiche, in denen wir abgewichen sind von der eigentlich biblischen Botschaft, dem was Christus offenbart hat und dem was dem Wesen des Reiches Gottes entspricht.
Ich entdecke uns verliebt in unseren alten Wein, alte Werte, alte Moral, alte Methoden, alte Strukturen, alte Vorurteile und alte Denkweisen.
Diese evangelikale Religion verliert zunehmend an Ansehen und an Relevanz in dieser Welt.
Sie unterscheidet sich zu wenig deutlich von den religiösen Ansätzen, die wir in anderen fundamentalistischen Bewegungen und religiösen Strömungen heutzutage finden.
Unser Schriftverständnis unterscheidet sich nur wenig von dem der Salafisten.
Wir sind ethisch nicht gewappnet gegenüber den neuen Herausforderungen und Fragestellungen unserer Zeit.
Und in weiten Teilen ist das evangelikale Christentum so bequem und gemütlich geworden, so sehr eine Geschichte über privaten Erlösung und persönliche Bereicherung geworden, dass sein Wirkungsgrad nach außen deutlich abgenommen hat.
Ich glaube dieses evangelikale Christentum braucht Korrektur, braucht neuen Wein, neue Ansätze, neue Denkweisen, mutige Gedanken, mutige Prozesse, die gären und reifen und oft auch provozieren.
Und es braucht neue Weinschläuche, neue Strukturen, neue Menschen und neue Gemeinden, die diesem Wein Raum geben, in denen er reifen, sein Aroma entwickeln und zu einem ganz guten und kostbaren Wein werden kann.