Immer wieder fällt mir auf, dass unser Bibelverständnis ganz viel mit unsrer denkerischen Beweglichkeit zu tun hat. Je enger oder rigider das Bibelverständnis, desto unbeweglicher sind Menschen.
Ob in Diskussionen, Gesprächen, Bibelstunden oder beim Lesen. Wer ein enges Bibelverständnis hat, tut sich schwer, sich innerlich zu bewegen, sich auf neue Gedanken einzulassen, neues Denken zuzulassen.
Das Bibelverständnis wird zum inneren Über-Ich, zum Zuchtmeister, der mir ständig über die denkerische Schulter schaut und zum erbarmungslosen Zensor. Wir ärgern uns über China oder die Türkei, die ihre Bürger angeblich schützen wollen, indem sie unliebsame Meinungen auf diversen Onlineseiten zensieren oder diese ganz abschalten. Aber oft läuft dasselbe in unserem eigenen Denekn ab. Durch mein enges Bibelverständnis ist meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt und der Speiltaum des Denkes außerordentlich klein.
Besonders krass fällt mir das beim Thema Homosexualität auf. In Diskussionen zum Thema findet sich kaum Bwegeung. Ein enges Bibelverständnis verhindert hier jede Beweglichkeit, bereits im Denken. Es darf garnicht weitergedacht werden geschweige denn Bewegung in die eigene Überzeugung kommen.
Selbst wenn ich durch persönliche Betroffenheit oder eigene Erfahrungen weiterdenken möchte, anders denken möchte, wird jede denkerische Bewegung im Keim erstickt.
Aber genau diese Bewegungslosigkeit hat der Entwicklung der Kirche immer wieder geschadet und ihre Glaubwürdigkeit beschädigt.
Es war die denkerische Unbeweglichkeit der römischen Kurie, die einen Galileo zum Wiederruf zwang. Es war die denkerische Unbeweglichkeit, die manch selbstbewusste Frau auf den Scheiterhaufen brachte. Wir rühmen uns heute oft unsrer Offenheit und Toleranz, aber ich befürchte, dass wir unter der gleichen Bewegungslosigkeit leiden, nur mit anderen Themen.
Es bleibt die spannende Frage, wie ein Bibelverständnis aussieht, dass Gottes Wort ernst nimmt und doch Bewegung zulässt. Als Gemeinde versuchen wir seit längerem diesen Weg zu gehen und ein alternatives Bibelverständnis zu formulieren – nicht fundamenatlistisch und nicht liberal.
Mehr dazu in den kommenden Wochen.