Immer wieder fällt mir auf, wie „bibeltreue“ Christen sehr inkonsequent sind in ihrem Umgang mit ihrer Treue zur Bibel. Man vertritt den Ansatz, alles so zu nehmen, wörtlich wie es da steht, solange es in die eigene Theologie und die eigene Meinung passt.
Aber diesen Ansatz kann man eben bei weitem nicht mit allen Bibelstellen durchziehen. Die Bibel braucht Interpretation und Auslegung. Einfach alles wörtlich nehmen heisst eben gerade nicht, die Bibel ernst zu nehmen. Meistens nimmt man die Bibel da wörtlich, wo die Konequenzen daraus v.a. Opfer für andere bedeuten. Geht es ans eigene Opfer, dann muss man die Stelle eben anders auslegen und die wörtliche Auslegung wird zur Seite gelegt.
Gerne verbietet man den Geschiedenen die Wiederheirat wegen der wörtlichen Handhabung von Matthäus 5,31 , kommt aber nicht auf den Gedanken auch Vers 30 wörtlich zu nehmen, denn dann müsste ich zur Selbstverstümmelung bereit sein, sobald meine Hand sündiges Verhalten ausführt.
Zwei verschiedene Auslegungsarten in zwei aufeinanderfolgenden Versen? Verse unterschiedlich auszulegen ist völlig berechtigt und sogar notwendig. Aber wer legt fest, wie man nun beim einzelnen Vers vorgeht.
Die verbreitete Sicht, alles wörtlich zu nehmen, bis es nicht mehr geht, ist nicht einmal auf den ersten Blick bibeltreu. Diese Haltung wird der Bibel gerade nicht gerecht und lässt so vieles in ihr im Dunkeln.
Wir brauchen Theologie, Ethik und Hermeneutik, die Einleitungswissenschaft und Bibelwissenschaft, um kompetent entscheiden zu können, wie Bibelauslegung angemessen vonstatten geht und nicht mit frommem Individualismus.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Artikel von Peter Aschoff verweisen, der in seinem Blog einen interessanten Vergleich zieht zwischen den Aussagen des Paulus über die Notwendigkeit einer Kopfbedeckung bei Frauen und seinen Aussagen zum Thema Homosexualität.